PR für Paywalls – was eine Quizfrage über den Zustand einer Branche verrät
Meta-Diskussionen sind bei uns Medienleuten an der Tagesordnung: Medien berichten darüber, wie andere Medien berichten. Und auch das allabendliche Fernsehprogramm wird von diversen Webseiten, Zeitungen und sog. Mediendiensten mehr oder weniger kritisch begleitet. So gibt es regelmäßige Kritiken zu Tatort, Anne Will oder Hart aber fair. Ein besonderes Medienecho bekam in der ersten Januarwoche der RTL-Dauerbrenner „Wer wird Millionär“. Zum Einen stürzte sich die allgemeine Häme auf den – zugegeben peinlichen – Auftritt des Zusatzjokers bei der 32.000 Euro Frage.
Nachdem man sich ausreichend amüsiert hat, deckt dieses Beispiel recht offen auf, wie weit Medienhäuser und ihre Leser beim Thema Paid Content von einander entfernt sind. Das bereitet BASIC thinking Chef Tobias Gillen schön in seinem Artikel „Gefangen in der Filterblase: Wir in unserer kleinen Welt“ auf. Zum Einen bemerkt er, dass noch viel mehr Aufklärungsarbeit vonnöten ist, um bei den Lesern das Verständnis für kostenpflichtige Inhalte zu schaffen. Konkret schreibt er:
Zum einen den der Bezahlinhalte im Netz. Die Tatsache, dass beim Zusatzjoker nicht mindestens das halbe Studiopublikum aufgesprungen ist, nein, sogar die Tatsache, dass diese Frage 32.000 Euro wert war, sollte uns wieder ins Bewusstsein rufen, dass wir zwar viel auf Podien, in Newslettern oder bei Mediendiensten über die Frage diskutieren können, wie unsere Inhalte monetarisiert werden. Dass das aber genau solange nichts bringt, solange nicht auch der letzte Leser verstanden hat, worum es eigentlich geht.
Als positive Beispiele führt er (wie wir auch schon so oft) die Rhein-Zeitung, die taz und die BILD an. Letztere nimmt die WWM-Frage sogar selbst zum Anlass, der Kandidatin ein Bild+-Abo zu schenken. Im Weiteren zeigt er noch auf, wie sehr wir in unserer Social Media Filterblase gefangen sind und wie wir von Zeit zu Zeit ausbrechen können. Denn den Horizont zu erweitern, hat noch niemandem geschadet.
Randnotiz in eigener Sache: die 32.000 Euro Frage brachte auch uns „15 Minutes of fame“. Denn anscheinend haben viele Fernsehzuschauer das Wort „Paywall“ gegoogelt. Fast 6.000 davon haben so den Weg auf unsere Website gefunden. Danke an Günther Jauch und sein Team!
"Eine sogenannte Paywall findet man im Internet immer häufiger auf den Seiten von A) Universitäten, B) Supermärkten, C)…
Posted by netzstrategen on Donnerstag, 7. Januar 2016
Spannende Experimente
Wo wir gerade so schön „über Medien“ sprechen. Unter dem Namen „Übermedien“ haben Boris Rosenkranz und Stefan Niggemeier eine neue Website mit dem Schwerpunkt Medienkritik gestartet. Dass es dabei weniger um Nachrichten als um kritische Begleitung geht, aber auch regelmäßig positive Beispiele für guten Journalismus gezeigt werden, verrät Niggemeier im Interview mit dem – wen wunderts – Mediendienst DWDL. Dabei setzen die beiden Gründer vor allem auf Paid Content im Abo. Wir wünschen viel Erfolg und sind gespannt, wie sich Übermedien entwickeln.
Agilität, Transparenz, Nutzereinbindung und Paid Content. Das sind aktuell einige der beliebtesten Buzzwords, wenn es um die Digitalisierung von Zeitungen geht. Hier gilt es viel zu experimentieren, was angesichts jahrzehntelang gelernter Prozesse und Strukturen oft ein harter Kampf ist. Eine andere Mediengattung, mit der man diese Begriffe normalerweise auch nicht so schnell in Verbindung bringt, macht jetzt vor, wie solch ein Experiment aussehen kann. Unter dem Titel „Morgen mehr“ schreibt Autor Tilmann Rammstedt live ein Buch. Und durch den Abschluss eines Abos kann man ihm dabei zusehen, wie das Buch mit der Deadline 8. April entsteht. Rammstedt geht damit raus aus dem stillen Kämmerlein des Autoren, bindet seine Leser in den (kurzzyklischen, weil täglichen) Entstehungsprozess mit ein und nimmt dafür auch noch Geld (bzw. der Hanser Verlag). Ein Experiment ganz nach unserem Geschmack, auf das wir durch diesen Artikel des 4-C Magazins aufmerksam geworden sind.
Brancheninfos und Zahlenmaterial
Der Fachdienst PV Digest hat sich die Mühe gemacht und die Entwicklung der Paid Content Umsätze in Deutschland zusammenzustellen. Dabei greift der Dienst auf eigene Schätzungen sowie Drittstudien zurück. Die wichtigsten Ergebnisse lauten:
- Die Paid Content Umsätze der deutschen Publikumspresse steigen um 27%.
- Zeitungen machen dabei den Löwenanteil aus.
- Zeitungen greifen auf weniger Kernangebote zurück (E-Paper, Paywall, Apps), während Zeitschriften stärker diversifizieren.
- Der Gesamtmarkt für kostenpflichtige Angebote bleibt auch 2016 auf Wachstumskurs.
Die IVW hat bereits in 2015 mit Paid Content light versucht, mehr Verlage zu ermutigen ihre Reichweiten auf Bezahlinhalten zu melden. So konnten die Publisher ihre Werte ohne Veröffentlichung ausweisen und vergleichen. Die einzelnen Teilnehmer an Paid Content light konnten die Daten jedoch untereinander offen einsehen. Anscheinend hat das einige von der Teilnahme abgehalten. Deshalb weicht die IVW den Modus noch weiter auf, so dass Verlage nun ihre Titel mit fiktiven Namen hinterlegen können um Anonymität zu wahren. Ich hoffe jedoch, dass die bisherige Zurückhaltung nicht an diesen Datenschutzfragen liegt. Sondern dass man mehr damit beschäftigt ist, gute Produkte für die Leser zu kreieren. Denn die von der IVW ausgewiesenen Zahlen haben ja eine ganz andere Zielgruppe: die Werbetreibenden. Und bei Paid Content sollte es ja in erster Linie um den Leser gehen. Von daher: alles nicht so schlimm. Sobald es gute Produkte gibt, die erfreuliche Reichweiten erzielen, kann man auch anfangen diese Reichweiten zu kommunizieren. Deshalb muss sich die IVW vermutlich noch ein wenig gedulden.
Wie immer freue ich mich über weitere Links zu Artikeln rund um Paid Content oder eine Diskussion in den Kommentaren unter diesem Artikel.