Temu wirbelt die E-Commerce Landschaft ordentlich auf. Lars und Stephan sprechen in dieser Folge darüber, welche Hebel und Strategie Temu einsetzt, was den Shop von anderen unterscheidet und worauf man kritisch blicken kann.
💡 Links zu allen Themen, die in der Folge erwähnt werden:
🚀 Das Wichtigste im Überblick:
Aggressives Marketing und niedrige Preise:
Temu fällt durch seine aggressiven Marketingstrategien auf, die Kunden durch ständige Angebote, Gamification und Belohnungen für Interaktionen aktiv in die App locken. Die niedrigen Preise werden durch direkten Versand aus China und die Nutzung historischer Postvereinbarungen ermöglicht, die günstige internationale Versandkosten garantieren.
Auswirkungen auf den europäischen Handel:
Die Präsenz von Temu könnte für europäische Unternehmen, die als Zwischenhändler agieren oder Produkte aus China importieren, eine Herausforderung darstellen. Die direkte Verbindung von Produzenten mit Konsumenten in Europa kann traditionelle Vertriebskanäle unter Druck setzen und Geschäftsmodelle infrage stellen.
Innovative Marketingansätze und Kundenbindung:
Temu nutzt innovative Marketingansätze, die eine hohe Kundenbindung und Interaktion fördern. Durch den Einsatz von Gamification, Belohnungen für Interaktionen und einem sehr aktiven Einsatz von Push-Benachrichtigungen schafft Temu ein Einkaufserlebnis, das deutlich von traditionellen E-Commerce-Plattformen abweicht und insbesondere jüngere Zielgruppen anspricht.
[00:00:00.000] – Lars
Hallo und herzlich willkommen. Mein Name ist Lars und ich begrüße euch ganz herzlich zu The Digital Impact, dem netzstrategen Podcast. In dieser Folge habe ich Stephan Sperling zu Gast, seines Zeichens E-Commerce Stratege bei den netzstrategen und wir werden uns über Temu unterhalten, den neuen großen Player am E-Commerce Markt. Temu ist sehr speziell und genau das schauen wir uns an. Was macht es so besonders? Wie unterscheidet es sich von klassischen E-Commerce Playern? Was können wir davon lernen? Und wo ist Temu durchaus auch kritisch zu sehen? Die Folge wurde remote aufgezeichnet, also wundert euch nicht, wenn die Mikros zum Teil etwas unterschiedlich klingen. Zu Beginn der Folge wird Stephan nun kurz erklären, worum es bei Temu eigentlich geht und warum das ein Thema ist, über das er unbedingt mit mir sprechen wollte.
[00:00:45.450] – Stephan
Guten Morgen Lars. Freut mich, dass wir uns heute zu dem spannenden Thema unterhalten können. Wir reden über Temu oder Temu, je nachdem, wie man es aussprechen möchte. Den neuen chinesischen Marktplatz, der auch gerade in Europa und auch in Deutschland bei uns hier sehr aktiv ist und gerade so eine kleine Revolution auslöst, vielleicht auch eine größere. Und ich dachte mir eben, das ist ein guter Anlass, da mal drüber zu reden und mal ein bisschen genauer reinzuschauen. Was machen die eigentlich? Warum machen sie es? Und welche Auswirkungen hat es vielleicht auch auf den Handel hier bei uns in Deutschland?
[00:01:15.270] – Lars
Wie bist du denn mit Temu in Kontakt gekommen?
[00:01:17.370] – Stephan
Tatsächlich über Werbung bei Google Discover. Ich scrolle da gerne mal durch den Stream bei Google Discover und ich glaube, das erste, was ich gesehen habe, war es war noch so im Frühling, Sommer eine Werbung für ein Festival Party Wurfzelt für 3,29 € oder irgendwie sowas. Worauf das in meinem Kopf sofort zur Seite gelegt wurde und ich gesagt habe naja, okay, das ist irgendwie Fake, die wollen mich da verarschen, beschäftige ich mich gar nicht genauer. Und der zweite Schritt war dann tatsächlich ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung, die das Thema genauer beleuchtet haben und mich dann auch darauf gebracht haben, auch mal genauer hinzuschauen und vor allem auch einfach mal auszuprobieren.
[00:01:55.860] – Lars
Also ich habe auch schon mit meinen Vorurteilen zu kämpfen gehabt, als wir angefangen haben, darüber zu sprechen. Und mir ist auch so ein Zitat im Kopf geblieben. Temu ist, wenn du alle AliExpress per Wish bestellst, also quasi die, die die Cheap Variante von der Cheap Variante von der Cheap Variante. Was hat es denn mit dem Vorurteil auf sich. Oder, ja, wie siehst du Temu heute, wo du dich ein bisschen intensiver damit beschäftigt hast?
[00:02:19.620] – Stephan
Ja, fangen wir mal an mit dem Preis, weil du das gerade so schön gesagt hast. Die, das Billige vom Billigen, vom Billigen, das ist natürlich das was, womit sie ganz stark werben und womit sie rausgehen. Das ist der Preis. Und das ist tatsächlich alles, was die verkaufen, extrem günstig im Vergleich zu alternativen Anbietern, die wir hier aktuell auf dem Markt haben. Der größte ist sicherlich Amazon, wo du viele der Produkte auch eins zu eins ja auch kaufen könntest. Aber das, womit sie auffallen ist tatsächlich der Preis, der dann oft noch mal 50, 60, 70 % unter dem liegt, was ich zum Beispiel bei Amazon für das gleiche Produkt bezahlen müsste oder würde.
[00:02:57.090] – Lars
Und wie können die das machen? Also wie kommen die ohne die Margen aus oder wie können die mit den Preisen so weit runtergehen? Klingt für mich als Betriebswirt jetzt erstmal herausfordernd.
[00:03:06.600] – Stephan
Ja, ich glaube, der größte Effekt, den Sie natürlich haben, ist es, dass Sie direkt ab der Fabrik sozusagen hier nach Deutschland verkaufen oder nach Europa verkaufen und sich alle zwischen Handelspartner und Stufen sparen. Das sorgt natürlich – rein bei Amazon zum Beispiel habe ich ja je nach Warengruppe – zahle ich auch mal 30 % oder so was Provision an Amazon, wenn ich da als Marktplatz Händler dabei bin. Das kann ich mir schon mal einsparen und damit habe ich schon mal einen ganzen Batzen irgendwie eingespart. Und das, das charmante, glaube ich für die chinesischen Anbieter auf dieser Plattform ist einfach, dass sie ihre, ihre Produktion direkt verkaufen können. Also die gesamte Produktion wandert in diesen Kanal und wird dann halt sehr schnell verkauft und auf direktem Wege ohne irgendwelche Zwischenhändler. Also das klassische D2C – Direct to Consumer, was wir bisher ja eigentlich nur so von Marken kennen, von großen Marken, die dann sagen: Okay, ich fange jetzt an, direkt an meine Endkunden zu verkaufen. Hier ist es ganz sicher keine Marke, sondern es ist halt die chinesische Fabrik, die sagt Ich verkaufe das Zeug jetzt direkt nach Europa auf schnellstem und direktem Weg, ohne irgendwelche Zwischenhändler, die die Hand aufhalten und damit meinen Preis beeinflussen.
[00:04:14.100] – Lars
Das heißt, da sind ja ganz viele theoretisch betroffen, also europäische Unternehmen, die in China produzieren, die aber auch hier verkaufen. Amazon ist betroffen. Kriege ich denn da auch vernünftige Sachen oder sind das quasi – ist das dann so ein Fälschungspool, weil man halt die Sachen produziert und dann einfach billig raushauen kann? Wer verkauft da? Also Temu selber ist ja nur die Plattform, wenn ich das richtig verstehe.
[00:04:35.880] – Stephan
Richtig, genau. Die stellen nur die Plattformen zur Verfügung. Letztendlich sind es eben Händler aus China, Fabriken aus China, die direkt ihre Sachen darüber anbieten und verkaufen. Und das was du gerade gesagt hast, dieses Fälschungen, nicht sichere Sachen usw., gibt es vermutlich auch. Das wird auch gerade hier in Deutschland ja gerade extrem durch die Medien getrieben, dass diese Angst geschürt wird, ich meine auch zu, zu erahnen, wo das herkommt. Dass man bewusst Angst schürt und sagt: Oh, wenn du bei Temu bestellst, bist du mit einem Bein schon im Gefängnis. Ich glaube, dass es da alles gibt. Also ich glaube, da gibt es die komplette Bandbreite von eben – was weiß ich dem Fake Adidas Fußballtrikot bis hin zu ganz normalen Produkten die du auch, die auch die nötigen Siegel haben usw. Das ist sozusagen im Augenblick zumindest für mich als Laien ohne alles bestellt zu haben, praktisch undurchschaubar, weil es sind ja tausende, Hunderttausende von Produkte in einem endlosen Stream und oft fehlt natürlich schon irgendwie wichtige Kennzeichnungen oder so was, die sie eigentlich haben müssten, wenn sie hier auf dem Markt sind. Ich kann es aber vor dem Kauf praktisch gar nicht nachvollziehen, ob da jetzt zum Beispiel das CE Zeichen drauf ist oder vergeben wurde für ein Produkt oder nicht. Das sehe ich dann, wenn ich es bekommen habe. Aber aus der Produktbeschreibung kann ich solche Dinge oft nicht ersehen. Mein Gefühl ist ich habe ein paar Testbestellungen gemacht, ein paar Produkte bestellt, dass eben die gesamte Bandbreite drin ist, vom Fake Billigkram bis hin aber auch zu ganz normalen Produkten, die auch über andere Kanäle hier bei uns auf dem Markt landen und regulär verkauft werden können und dürfen. Es ist meines Erachtens ganz sicher nicht alles nur nachgemachtes nicht lizensiertes, unsicheres Zeug, gibt es bestimmt auch, aber ich glaube nicht, dass das die, die Mehrheit der Produkte ist, die da verkauft werden.
[00:06:24.250] – Lars
Wo wir gerade beim Thema Sortiment sind: Gibt es da Einschränkungen oder was sind so die Schwerpunkte? Wie muss ich mir das Sortiment vorstellen?
[00:06:33.100] – Stephan
Das Sortiment ist tatsächlich sehr günstig und sehr kleinteilig. Sagen wir mal so. Also es sind alles Produkte, die irgendwie in kleine Päckchen und Schachtelchen passen. Da können wir uns gleich noch ein bisschen genauer darüber unterhalten, warum das so ist. Ein Grund ist natürlich der Versand aus China hierher, der direkt erfolgt. Das andere ist das Thema zollfreie Grenzen. Es wird praktisch alles verkauft, was irgendwie unter dem Radar des Zolls ist und was sich günstig von dort nach hier bringen lässt. Also große Gegenstände, was weiß ich, seiens Möbel oder große Geräte oder sowas findet man im Augenblick nicht. Sondern wirklich nur Kleinkram, der extrem günstig ist, der ein kleines Päckchen passt und auch vom Wert her unterhalb den gesetzten Grenzen bleibt, um es halt relativ schnell und einfach hier über die Grenzen zu kriegen und durch den Zoll zu kriegen.
[00:07:21.360] – Lars
Ja, das ist interessant. Du hattest ja eingangs den Preis auch thematisiert, dass das ja sicherlich ein, eine Stärke ist oder ein, ein Ansatz, den, den die fahren. Aber das ist ja nicht alles, was die, was die auszeichnet. Also das Thema Logistik, Versand ist ja glaube ich auch ganz spannend, gerade für den europäischen Markt, wenn ich dich richtig verstanden habe.
[00:07:45.540] – Stephan
Genau. Der Versand ist sozusagen ein bisschen zweischneidig bei dem Thema. Das eine ist, dass es natürlich länger dauert, als ich es jetzt zum Beispiel von Amazon gewohnt bin. Wobei Amazon ja auch inzwischen nicht mehr so wirklich über Same Day oder Next Day spricht. Zumindest aus meiner Erfahrung kann Next Day noch passieren, aber es ist zumindest bei mir nicht mehr die Regel, sondern gefühlt fährt er der Amazon Wagen bei uns zweimal in der Woche durch den Ort und bringt alles, was er bestellt wurde. Aber am gleichen Tag oder am nächsten Tag ist kein großes Thema mehr. Bei Temu sprechen wir eher von so zwei Wochen Laufzeit, die die Sendungen haben. Was aber, glaube ich, jetzt kein ganz großes Hindernis ist. Entscheidend ist, dass der Versand eigentlich immer kostenlos ist. Ich habe keine – also angeblich kostet es Versand, aber es laufen praktisch immer Aktionen. Kostenloser Versand bis zum soundsovielten. Da kommt man dann schon in den Marketingaspekt rein. Und das Aufbauen von Druck. Wenn du bis da und da bestellst, kriegst du den Versand kostenlos.
[00:08:42.660] – Stephan
Bei meinen Bestellungen gab es immer eine kostenlose Versandoption und damit war der Versand eben immer frei für mich, was dann halt bedeutet, dass auch da keine versteckten Kosten irgendwie auf mich zukommen, sondern diese extrem billigen Preise auch den Versand inkludieren und die Pakete halt einfach ein bisschen länger dauern. Aber das war’s dann auch schon.
[00:09:02.340] – Lars
Da fragt sich der BWLer in mir ja schon wieder wie machen die das? Also wie schaffen die das? Von China nach Europa quasi ohne Versandkosten zu liefern?
[00:09:12.690] – Stephan
Das ist eine gute Frage. Genau die ist – basiert auf eine, auf einem historischen Vertrag. Ich glaube aus dem Jahre 1874 oder sowas, der Weltpostvertrag heißt das Ding. Und damals wurde den Entwicklungs- und Schwellenländern zugesagt, dass sie praktisch in die ganze Welt ihre Pakete verschicken können zu Inlandskosten. Das heißt die chinesische Fabrik oder Temu bezahlt jetzt für den Versand nach Deutschland so viel, wie sie für den Versand innerhalb Chinas bezahlen müssten. Jetzt wird natürlich gemunkelt, dass China da ja auch ein starkes Interesse daran hat, dass die Posttarife im Land deutlich subventioniert werden, um sie dann auch weltweit anwenden zu können. Kann man, glaube ich davon ausgehen, dass das so ist. Auf jeden Fall zahlt eben die chinesische Fabrik für den Versand nicht mehr, wenn sie es hier nach Deutschland schickt, als wenn sie es innerhalb Chinas verschicken würden. Und das sind dann wohl nur Centbeträge, die man dann leicht noch irgendwie wegstecken kann und nicht, nicht gesondert berechnen muss. Das funktioniert halt nur so lange, solange dieser Vertrag in Kraft ist. Auch da gibt es natürlich Bestrebungen, da mal nach 150 Jahren mal ein Update zu machen. Kann ich gut verstehen, weil natürlich auch die Postdienstleister und die DHLs dieser Welt, die das Zeug dann halt hierher fliegen müssen – das kommt alles nicht per Container, sondern sogar noch per Luftfracht. Sind damit natürlich nicht so ganz glücklich, dass sie im Prinzip kostenlos diese Pakete hier nach Europa bringen müssen.
[00:10:38.850] – Lars
Das ist ja auch jetzt wieder aus Händler oder Unternehmenssicht ein krasser Wettbewerbsnachteil, wenn ich hier quasi meine Logistikkosten eins zu eins habe oder halt in echt habe und da jemand importiert und noch subventioniert wird sehr stark.
[00:10:54.660] – Stephan
Genau. Du kannst ja davon ausgehen, du kannst davon ausgehen, dass das Paket innerhalb Deutschlands teurer ist als das Paket gerade von China hierher. Das ist definitiv so und damit ganz klar ein Wettbewerbsnachteil für alle hier ansässigen Händler.
[00:11:05.880] – Lars
Also, jetzt haben wir schon zwei Sachen so ein bisschen beleuchtet. Wir haben den günstigen Preis, wir haben die günstige Logistik, wenn man so will. Du hast eben schon mal gesagt hat, jetzt komm wir so langsam Richtung Marketing. Was machen die denn da besonders gut? Oder was ist dir aufgefallen?
[00:11:24.480] – Stephan
Sie machen es vor allem anders. Das ist mal so, dass das aus einem sofort auffällt. Auch im Freundes und Kollegenkreis habe ich jetzt ein paar Gespräche geführt zu dem Thema und das fällt allen mehr oder weniger bewusst auf. Das sie ein sehr aggressives Marketing machen. Das heißt, wir haben nicht die europäische oder die deutsche vornehme Zurückhaltung, sondern deren Ziel ist es, dass du dich, dass du dich so oft wie möglich mit dieser App beschäftigst und so oft wie möglich so viel wie möglich bestellst. Wenn ich von Amazon kriege ich vielleicht einmal in der Woche eine Pushbenachrichtigung aufs Handy. Bei Temu sind zwischen 5 und 20 Benachrichtigungen pro Tag, nicht pro Woche, sondern pro Tag. Die mich praktisch immer wieder dahin bringen: Hey, geh in deinen Stream und es ist wie bei TikTok oder YouTube Shorts. Es ist wirklich ein Stream, durch den du irgendwie scrollst und ständig neue Dinge entdeckst, Produkte siehst, von denen du nicht mal die leiseste Vorstellung hattest, dass es so was gibt und dass du den Bedarf dafür haben könntest. Also sie sind sehr, sehr aggressiv im Marketing und versuchen dich so oft es geht in die App zu holen, weil sie natürlich genau wissen, dass sie dann entsprechende Conversionrates haben. Und sobald du die App aufmachst, kommen sofort irgendwelche magischen Geschenkboxen, die du öffnen kannst. Also das ist auch so ein Gamification Ansatz mit drin, dass du dann noch mal besondere Rabatte freischalten kannst. Und das ist der für mich die krasseste Sache, über die im Augenblick noch keiner so wirklich spricht, dass du, sobald du auf so eine Werbung klickst, kriegst du noch Geld bezahlt als Kunde. Das heißt, für jeden Klick auf Werbung kriegst du 0,02 € gutgeschrieben. Das ist jetzt ein mini, mini Betrag, natürlich. Aber trotzdem belohnen sie dich dafür, dass du, dass du dir die Werbung von denen zumindest mal anguckst und die magische Geschenkbox oder was auch immer da gerade aufpoppt öffnest. Und sobald du das tust, kriegst du 0,02 € gutgeschrieben. Das wäre bei uns hier unvorstellbar, dass ich in nem Newsletter Abonnenten sage: Für jeden Newsletter, den du liest, kriegst du ein paar Cent Gutschrift von mir. Die machen es halt einfach und vermutlich auch nicht ohne Grund. So kannst du dir auch mit der vielen Werbung ein kleines Guthaben ansparen und das dann halt wieder einlösen.
[00:13:30.290] – Lars
Ja, klingt auf jeden Fall krass nach Konditionierung. Die Leute mit Belohnungsanreizen permanent ja zu locken oder zu entwickeln.
[00:13:40.670] – Stephan
Richtig, genau das ist Konditionierung und es ist auch ein Auslösen von, von einer gewissen Sucht würde ich mal sagen. Also die spielen schon damit, dass du, das du ständig in dieser App rumhängst und guckst: Was gibt es da Neues? Sie haben natürlich gute Algorithmen dahinter. Sie merken sich jedes Produkt, das du dir jemals angeschaut hast. Und das Interessante ist ja auch, wie ich es eingangs gesagt habe, dass diese Fabriken praktisch einmal eine Charge produzieren, die darüber verkaufen. Und wenn die dann zwischenzeitlich mal ausverkauft war und sie nachproduziert haben, kriegst du sofort wieder eine Push Nachricht, dass dieses Produkt jetzt wieder verfügbar ist. Sie arbeiten also auch stark damit, dass nicht immer alles verfügbar ist, sondern Sie produzieren eine Charge, verkaufen, die produzieren die nächste Charge, verkaufen die. Können damit auch zum Beispiel hohe Lagerkosten usw. vermeiden. Da sind wir wieder bei den günstigen Preisen. Aber eben, sie haben auch immer einen Push Anreiz und einen Push Anlass um dich zu informieren: Hey, das Produkt ist jetzt wieder da und wieder für kurze Zeit verfügbar bis die Charge wieder verkauft ist. Also super spannend, weil es halt so völlig anders ist als das klassische E-Commerce Marketing, das wir hier in Deutschland bisher hatten und kannten.
[00:14:45.770] – Lars
Ja, da kommen ja so einige Hebel zusammen. Also wenn du diese Anreize schon Gamification Part, zu sagen, okay, belohn dich und wenn du bestimmte Sachen machst, kriegst du von uns Geld. Das ist ja schon schon irgendwie auch so, dieser Suchtfaktor über das Spielerische. Aber du hast am Anfang gesagt es gibt immer Aktionen, um die Versandkosten zu sparen oder Produkte sind nicht mehr verfügbar. Also dieses dieses Fomo, Fear of Missing out, scheint ja auch einen großen Teil irgendwie einzunehmen, dass man halt so Druck ausübt, zur Entscheidung zu kommen und nicht, wie man es vielleicht im klassischen E-Commerce gewohnt ist, mit einem Konto oder mit einem Rabatt oder sowas, wo man sagt okay, die Verfügbarkeit ist, ist noch mal ein Ding. Und ja, dass man quasi immer ein Argument hat, was wo man als Nutzer Sorge hätte, da könnte ich was verpassen.
[00:15:36.470] – Stephan
Ja, das genau. Und das Spannende daran ist, dass sie diese Effekte praktisch noch verstärken, indem sie, sie mehrfach einfach gleichzeitig ausrollen. Also du hast jetzt nicht nur gerade die Halloween Aktion, die runter tickt, sondern du hast auch die Versandkostenfrei Aktion die runter tickt und dann hast du am Produkt noch den wie viel noch verfügbar ist Counter der runter tickt. Also dieses FOMO Thema ist – spielen sie praktisch auf mehreren Ebenen gleichzeitig. Was ich so in Deutschland auch noch nicht erlebt habe und was ich glaube ich auch keiner so richtig traut, so viel Druck auszuüben und zu sagen: Ich habe nicht nur eine Daumenschraube, sondern gleich mehrere, die ich anlege, um dem Nutzer zu zeigen, du musst jetzt sofort kaufen, sonst verpasst du irgendwas. Und interessant wird ja sein, ob sich dieser Effekt irgendwann abnutzt, ob die Nutzer das lernen, dass es praktisch ja eh immer versandkostenfrei ist. Und ich glaube, da zielen sie halt auch ganz bewusst auf eine, auf eine jüngere Zielgruppe ab, die da vielleicht nicht so sehr drüber nachdenkt. Also wenn mein Sohn zum Beispiel der Große diese App sieht, der sagt immer sofort: Papa, das musst du doch jetzt machen, weil da steht doch das, dass das nur heute gilt oder so. Und ich glaube, dass da viele halt auch einfach sich davon blenden lassen und und darauf reinfallen und und einfach das halt mit sich machen lassen. Also da müssen wir glaube ich alle noch was lernen. Und lernen ist da glaube ich das richtige Stichwort, weil wir es alle halt so noch gar nicht gewohnt waren und gar nicht gekannt haben, dass jemand so arbeitet.
[00:16:56.630] – Lars
Ja, es ist vielleicht so eine Art Generation Gap. Also wenn ich mir die, ich bleibe jetzt mal in Europa, die europäischen Entscheider im Handel und so anschaue, die sind ja anders sozialisiert als mit diesen, mit diesen krassen, aggressiven, ja, ich nenne es jetzt mal Psycho Tricks, die da zum Einsatz kommen. Und wir kennen es ja auch aus anderen Bereichen im Medienbereich. Die Tiktokisierung von allem, also dass so ein Musikstück immer mit der Hook anfängt, damit es auf TikTok funktioniert. Das – früher gab es da so einen klassischen Popsong, der wird ja anders aufgebaut und so. Meinst du, das ist, das ist auch so was – ich mein Tiktok als Medium hat ja auch – erreicht, auch vor allem eine bestimmte Zielgruppe. Ist das eine ähnliche Ausrichtung?
[00:17:39.770] – Stephan
Also ich glaube ganz klar, gehen die erst mal auf auf relativ junge Menschen. Zumindest im ersten Schritt. Allein schon auch durch das Preisgefüge. Da kann ich mir auch meine, meine Fake Airpods für 3,99 € kaufen und mir liefern lassen von meinem Taschengeld. Also ich glaube schon, dass das ist schon auch eine sehr junge Zielgruppe in erster Linie abzielt. Aber durch diesen Werbedruck, den sie haben eben, hat ja bei mir auch funktioniert, kriege ich es auch so im Umfeld mit, dass es keineswegs nur darauf beschränkt ist, sondern dass halt auch viele Ältere inzwischen bei Temu bestellen. Die wissen vielleicht dieses, diese, diese Druckmittel besser einzuordnen und man kann halt mit etwas Lebenserfahrung darüber hinwegsehen und sagen naja, und selbst wenn es morgen die Aktion vorbei ist, kann ich mir das 3,99 € Teil das dann 4,5 € kostet, immer noch leisten. Das ist nicht mein Problem. Aber ich glaube über die, über diesen Suchtfaktor kannst du grundsätzlich alle Menschen ansprechen. Dieser, dieser große Marketingdruck fällt vielleicht bei jüngeren Zielgruppen eher auf fruchtbaren Boden als bei etwas älteren Menschen mit etwas mehr Lebenserfahrung. Sagen wir es mal so.
[00:18:45.500] – Lars
Aber jetzt aus Marketer Perspektive auch wirklich ein spannender Aspekt, dass ich sage mal so die, so die alten Online Marketer wie wir, die haben ja schon noch irgendwie so Grundsätze gelernt. Wenn du anfängst dein Media Budget ausgeben willst, dann nimm doch erst mal die Nachfrage, die eh da ist und gehe erst mal über Pull und und versuche erstmal da Fuß zu fassen und Push kommt dann dazu irgendwann. Aber das hier scheint ja ein komplett anderer Ansatz zu sein, der halt einfach sehr stark über diese Push Mechanismen funktioniert.
[00:19:21.350] – Stephan
Ja, ich glaube es ist halt vor allem jetzt in der Phase, in der sie gerade sind, extreme Reichweite aufbauen und möglichst alle reinholen. Du kriegst ja auch, wenn du dich das erste Mal anmeldest, kriegst du, ich weiß jetzt gar nicht mehr, was das bei mir war, ich denke, da spielen die auch verschiedene Szenarien durch. Aber es war praktisch ein ganzes Gutscheinpaket mit irgendwie 17 Gutscheinen auf die ersten zehn Produkte. Und von den ersten zehn Produkten, die du bestellst, kriegst du sowieso gleich noch zwei kostenlos. Also sie bauen glaube ich gerade sehr, sehr schnell und extrem ihre Zielgruppe auf, um die Leute überhaupt reinzukriegen, weil sie halt genau wissen, sobald du dich halt einmal registriert hast und drin bist in den Fängen sozusagen, dann bestellst du auch immer und immer wieder. Und da investieren sie, glaube ich, gerade sehr viel rein. Einfach mal die Basis zu schaffen und eine möglichst große Nutzer zur Registrierung zu bringen, damit sie dann halt auch bleiben und dann in dieser Maschinerie irgendwie funktionieren. Und ja, also was du sagst, ist richtig. Wir alten Männer oder Frauen im Marketing hier. Ich diskutiere heute immer noch, ob man Pop up machen kann oder nicht oder ob das zu krass ist, ob das nicht vielleicht ein User nerven könnte. Wenn du dir das anschaust, dann ist das absolut lächerlich, diese Diskussion. Ich war vor ein paar Jahren auch immer noch so und habe gesagt Pop up sind doof, mag ich selber nicht aus einer persönlich, aus einem persönlichen Empfinden heraus. Aber bis jetzt, immer wenn wir sie eingesetzt haben, haben sie eigentlich auch funktioniert. Wenn man es gut macht. Und genauso ist es da halt auch. Ich meine, die machen das nicht, um Leute zu nerven, sondern sie wissen, dass es funktioniert. Und da müssen wir uns, glaube ich, ein bisschen frei davon machen, dass das, dass das nur so sehr zurückhaltend und sanft funktionieren muss. Sie zeigen gerade, dass es auch mit der Brechstange offensichtlich gut funktioniert.
[00:21:01.910] – Lars
Ja, das ist auch eine Binsenweisheit, dass das Angebot dem Fisch schmecken sollte und nicht dem Angler. Also das ist ja auch so ein bisschen so, diese Dinge, die halt aus persönlichem Empfinden entschieden werden, vielleicht doch noch mal kritisch zu hinterfragen, ist vielleicht auch ein ganz gutes Learning für uns zu sagen. Na ja, gut, bevor wir das irgendwelche Sachen einfach ablehnen Grundsätzlich gucken wir doch mal, ob das für die Zielgruppe passt oder ob das eine Mechanik ist, die die irgendwie helfen könnte.
[00:21:27.110] – Stephan
Ja, ich glaube, das Spannende an dem Modell ist, also ich glaube – du kannst den – wir könnten alle den Werbedruck deutlich erhöhen, aber du musst es halt auch so machen wie die extrem kurzweilig überraschend. Also jetzt einfach zu sagen: Okay, dann schicke ich jetzt dreimal am Tag nen Newsletter. Wird es ja wahrscheinlich nicht sein, sondern die haben halt vielfältige Aktionen. Es ist alles auf die App im Prinzip konzentriert, eben mit lustigen Animationen, dass das Paket dein Geschenk Paket aufplatzt und da halt irgendwelche Rabatte raushüpfen und so. Also es ist halt auch was, was, selbst wenn du nicht dran glaubst oder das jetzt nicht für ganz ernst nimmt, was halt irgendwie nen Unterhaltungswert auch hat und sehr abwechslungsreich und vielfältig ist. Und ich glaube, da tun wir uns auch schwer. Wir sagen halt auch bei mir kommt einmal im Monat ein Newsletter und das war’s. Da überraschen die dich halt auch jeden Tag mit irgendwelchen neuen Aktionen, die du so noch nicht gesehen hast. Und das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Punkt, damit das Ganze auch mittel oder langfristig funktionieren kann. Dass du nicht Dinge machst, die sich halt relativ schnell dann abnutzen und einfach den gleichen Kram wiederholst, sondern ständig was Neues einfallen lassen musst in diesem Gamification Spielfeld.
[00:22:32.840] – Lars
Jetzt haben wir aber relativ intensiv über diesen ganzen verkäuferischen Aspekt gesprochen. Also wir haben jetzt quasi die Kommunikation, wir haben dieses aktionistische, dieses, dieses Laute, Aggressive, wir haben Logistik thematisiert, wir haben die günstigen Preise angesprochen. Was mich jetzt noch interessieren würde ist, wie es denn die Leute annehmen. Also klar, mal so eine Testbestellung machen oder mal darauf anspringen und sich so aktivieren lassen ist das eine. Aber gibt es schon Erkenntnisse dazu, wie zufrieden die Leute dann auch damit sind, was da kommt?
[00:23:02.420] – Stephan
Ich habe zumindest, ich habe meine persönlichen Erfahrungen. Ich habe leider keine belastbaren Zahlen. Mich würde mal interessieren, ich sage mal, ich müsste mal das nächste Mal, wenn ich mal wieder ein DHL Truck vor der Tür sehe, mal hinten reingucken und schauen, wie viele Temu Pakete da inzwischen drin liegen. Ich könnte mir vorstellen, dass es einige sind, so wie es ja auch mal eine Zeit gab, wo das ganze Ding voller Amazon Pakete war. Meine persönliche Erfahrung von der Qualität ist von den Produkten, ich habe jetzt – wie viel habe ich bestellt an die zehn Produkte irgendwie war durchwachsen. Es waren gute Sachen dabei, für die ich da zum Beispiel ein Teil war, eine Nackenwolke. Wir können ja mal das konkrete Beispiel nennen für gegen Rücken und Nackenschmerzen. Da kannst du in Deutschland für das identische Produkt im Sanitätshaus 75 € bezahlen, bei Temu dafür gerade keine 4 €, glaube ich waren es und es ist exakt das gleiche Produkt. Also da gibt es keinen, keinen spürbaren, sichtbaren Unterschied irgendwie. Andere Sachen waren relativ schnell kaputt und was ich dann halt gemacht habe ist, wollte eine schlechte Bewertung schreiben, weil ich ja dann schon auch immer versuche Feedback zu geben und das ist auch noch ein spannender Effekt. Dazu kommst du gar nicht. Sobald du sagst ich gebe dem Ding nur einen Stern, geht ein Fensterchen auf, das sagt: Hey, du darfst übrigens pro Bestellung einen Artikel kostenfrei komplett stornieren. Du darfst ihn behalten, du kriegst dein Geld zurück, willst du das nicht machen? Und klar macht man das dann und somit werde ich praktisch von der schlechten Bewertung umgeleitet, hin zu dem Rückgabeprozess bzw. der Rückerstattung. Und komme gar nicht dazu die schlechte Bewertung abzugeben, sondern hab direkt – krieg meine Kohle zurück muss als einziges, als einzige Leistung, die ich sozusagen erbringen muss, ein Foto hochladen von dem Produkt und von dem, von dem Schaden oder dem Problem, sofern es sich fotografieren lässt. Und dann kriege ich innerhalb von Sekunden mein Geld zurück, ohne das ich irgendwas zurücksenden müsste. Klar, lohnt sich natürlich überhaupt gar nicht. Und das ist natürlich auch höchst fragwürdig, dieses Vorgehen. Auf der anderen Seite aus deren Sicht natürlich total schlau, weil so gibt es keine schlechten Bewertungen. Sie kriegen aber trotzdem das Feedback zu den Produkten, die schlecht sind.
[00:25:11.990] – Stephan
Ob sie was damit anstellen, weiß ich nicht, aber es ist anzunehmen, weil auf Dauer kann die Plattform ja auch nur funktionieren, wenn die Nutzer zufrieden sind und wieder bestellen. Wenn ich zu viele schlechte Erfahrungen gemacht habe, selbst wenn ich mein Geld zurück kriege, sage ich irgendwann okay, brauche ich nicht mehr bestellen, habe ich ja nichts davon. Also gehe ich schon davon aus, dass dieses Feedback trotzdem irgendwie in eine Schleife reinläuft und verarbeitet wird. Aber dieser Prozess ist halt auch so krass einfach gestaltet, wie ich es bis jetzt auch noch nirgendwo erlebt habe. Kriegst ohne wenn und aber einfach dein Geld zurück und fertig.
[00:25:44.810] – Lars
Ja, da schlagen natürlich dann auch die niedrigen Preise noch mal durch. Also zum einen, dass du vielleicht auch mit einem schlechten Produkt eher leben kannst, wenn es jetzt halt kein Vermögen gekostet hat. Und für die ist es dann halt auch entspannt, das zu stornieren, wenn es jetzt halt ein Cent Artikel war, irgendwie vom Aufwand her. Auf der anderen Seite sicherlich immer noch Wettbewerbshüter, vielleicht auch sauer aufstoßen, solche wie soll ich sagen, Bewertungsverhinderungsstrategien oder, oder Beeinflussungsstrategien, die ja dann auch bei so einem fünf Sterne Rating natürlich das untere Ende auch ausdünnen, das vielleicht sonst zustande gekommen wären.
[00:26:23.990] – Stephan
Ja, natürlich, genau. Es ist im Prinzip ja das Umgekehrte von dem, was was Amazon ja zum Beispiel macht, wo man ja weiß, dass viele Bewertungen einfach irgendwie gekauft sind, die dann halt die positiven sind. Das ist sozusagen die eine Strategie. Ich versuche, möglichst viele positive Bewertungen zu kriegen, dann fallen die schlechten gar nicht so sehr auf. Die gehen halt den anderen Weg und sagen: Ich verhindere schlechte, indem ich sie einfach in einen anderen Kanal umleite. Beides, beides total fragwürdig und nicht wirklich sinnvoll für mich als Kunde. Dauerhaft für mich beides keine echte Option, weil ich in beiden Fällen im Zweifelsfall dann später merke, als neuer Kunde, der das Produkt bestellt, dass die Bewertungen halt irgendwie nicht echt waren, sei es, weil die schlechten weggenommen wurden oder weil gute gekauft wurden. Beides ja nicht zufriedenstellend für mich als Kunde.
[00:27:10.940] – Lars
Was ich für mich jetzt noch so anschließe ist. Wir haben jetzt hier natürlich sprechen wir über eine große Plattform und wie es dann immer so ist bei der Plattformökonomie, da gibt es für viele Geschäftsmodelle nicht so viel Platz für viele Anbieter, sondern für, für einige wenige. Aber was kann ich denn als als Unternehmer von denen lernen, auch im Hinblick auf meine Aktivitäten? Kritische Beleuchtung kommen wir gleich auch noch mal kurz drauf. Aber was sind so aus deiner Sicht die Sachen, die ich für mein Business mitnehmen kann?
[00:27:38.810] – Stephan
Wenn du jetzt hier in Deutschland E-Commerce machst, dann ist es tatsächlich gerade eher Sehen und staunen, glaube ich. Und halt diesen, diesen Marketing Aspekt, sich mal genauer anzuschauen und zu überlegen, was davon kann ich wirklich übertragen? Wie kann ich da vor allem agiler werden? Ich glaube, das ist das Entscheidende. Man muss das Marketing und die Methoden, die die anwenden, ja nicht eins zu eins kopieren. Aber ich glaube, wir sind halt oft sehr starr und sehr eingestaubt. Und das wäre was, was man, glaube ich, auf jeden Fall sich abgucken kann, dass die eben ständig Dinge ausprobieren, neue Aktionen machen und das in einer sehr hohen Frequenz und in einer sehr hohen Taktzahl, worauf glaube ich die meisten bei uns überhaupt gar nicht eingestellt sind. Also auch wenn ich das bei uns mitkriege, in unserem Kundenkreis wieder monatelang eine Kampagne geplant wird und die hauen halt irgendwie zehn verschiedene Sachen am Tag raus. Da gibt es halt eine große, eine große Lücke dazwischen und ich glaube, irgendwo in der Mitte liegt sehr wahrscheinlich die Wahrheit. Aber ich glaube, wir müssen in dem Marketing Mix, den wir da haben und in den Aktionen, die wir fahren, viel schneller, viel agiler werden und auch viel experimentierfreudiger. Und Dinge einfach ausprobieren und wenn sie funktionieren, ist schön. Und wenn nicht, dann halt einstampfen. Also wieder so ein bisschen dieser Pioniergeist. Einfach mal ausprobieren und testen und nicht nicht monatelang im stillen Kämmerlein planen und dann hoffen, dass es irgendwie funktioniert.
[00:28:56.720] – Lars
Ja, das sind spannende Aspekte. Also gerade diese, diese Agilität und Schnelligkeit auch mit Leben zu füllen und und nicht immer nur von Agilität zu sprechen, das ist glaube ich ganz interessanter Punkt. Und Sachen, die du eben schon genannt hast, finde ich auch ganz spannend. Also das mit den Zielgruppen zu gucken, wie funktioniert das denn in einer Zielgruppe, die jetzt nicht in der gleichen Kohorte sich befindet wie ich selber, oder wie wie meine Entscheidungskollegen, mit denen ich da mein Marketing plane. Dann Gamification, diese ganzen psycho, psychologischen Aspekte, nenn ichs jetzt mal, muss man gar nicht negativ formulieren, sondern da tatsächlich auch mal neue Wege auszuprobieren, ist sicherlich ganz, ganz spannend. Auch das Thema mit dem Service und den Bewertungen. Also da, man kann jetzt von dem Prozess halten was man will mit diesem wir unterdrücken das und machen das mit einer kostenlosen Stornierung. Aber zumindest an diesen Prozess zu denken, das man nicht nur denkt, naja, wir geben da eine Bewertung, die Möglichkeit zu bewerten und dann schauen wir mal was rauskommt, sondern quasi wirklich so kleinteilig zu arbeiten. Also zu sagen: Okay, es ist dieser Prozess, der muss halt einfach sein. Und da gibt es halt folgende Schritte und so, dass man da einfach so ein bisschen – ist ja wirklich Micro, Micro, Micromanagement. Irgendwie selbst selbst da noch ein Weg zu automatisieren, oder, oder einen Weg zu finden, um das eigene Ergebnis zu verbessern.
[00:30:21.280] – Stephan
Ja, genau. Ja, also Dinge kopieren wir auch schon oder machen es nach. Zum Beispiel, dass ich, wenn ich jetzt einen Kunden nach seiner Zufriedenheit frage, nicht direkt irgendwie sich zu Google auf die Bewertung schicke, sondern sage hier kommen erst mal zu mir auf die Website teil mir mit wie deine generelle Stimmung ist. Und wenn du sagst alles supi, dann geht es hier lang zu Google, bitte da die Bewertung schreiben. Und wenn ich aber sehe, die Grundstimmung ist eher schlecht, dann frage ich halt im Detail nach und verarbeite das. Aber ich schicke ihn nicht zu Google und sage: Schreibs mal da rein. Das sind ja auch Dinge, die wir einfach tun können. Man muss es halt nur dran denken, seinen Prozess entsprechend bauen und dann, dann kann ich sowas auch hier umsetzen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Sofern ich halt eben den Kunden in den Vordergrund stelle und sage ein Kunde, der unzufrieden ist, den, den da verhindere ich nicht die Bewertung, sondern ich lenke sie in einen anderen Kanal und kümmere mich dann ordentlich darum, dass der Kunde am Ende glücklich ist. Darum geht es ja.
[00:31:13.480] – Lars
Wenn wir jetzt so abschließend noch mal, noch ein letztes Mal ein bisschen kritischer hingucken. Also das hört sich jetzt für mich so an, das mal quasi diese diese Herangehensweise ans E-Commerce durchaus mal hinterfragen kann, so die eigene. Und auf der anderen Seite, wenn man sich überlegt, wie funktioniert das und was, was steckt da – was hat das für Folgen? Kann man ja schon noch zu einer kritischen Bewertung kommen. Also du hast ja diesen alten Post Vertrag angesprochen. Das klingt ja schon auch so nach dem Mustermann sucht ne Gesetzeslücke und nutzt sie halt aus, so lange es möglich ist. Das ist ja bei so Plattformmodellen nicht neu. Also bei Uber ist es ja ganz ähnlich gewesen, als die auch in Europa auf den Markt kamen, dass die halt eben keinen Taxischein brauchten usw. und so fort. Und dass sie quasi einen Markt geschwemmt haben, der eigentlich anders reglementiert ist und da so ein bisschen für Aufruhr gesorgt haben. Und das ist jetzt jetzt hier ähnlich, aber die Frage ist ja auch mit – zum anderen, was das so für die, für die Handelsstufen bedeutet vielleicht auch, wenn du sagst okay, wenn die jetzt ihr D2C Geschäft machen. Wie konkret siehst du das als Gefährdung für ich sag mal europäische Hersteller oder europäische Marken, die vielleicht in China produzieren?
[00:32:29.020] – Stephan
Das ist definitiv ne Gefahr, weil ich eben keinen Grund mehr habe – jetzt hier, bleiben wir bei meiner Nackenwolke 75 € im Sanitätshaus zu bezahlen für das gleiche Produkt, das ich für 4 € – ist jetzt ein extremes Beispiel, aber genauso wars, direkt kaufen kann. Das gleiche, wenn ich jetzt gerade Ebay Powerseller oder sowas bin oder bei Amazon Sachen verkaufe, die ich halt gerade direkt aus China importiere, dann muss ich mir glaube ich Gedanken machen, ob und wie lange das noch gut geht, weil das wird endlich sein. Also da brauche ich irgendeinen anderen Hebel, einen anderen Ansatz für mein Geschäft, weil da bin ich mir ziemlich sicher, den diesen Geschäftsmodellen werden sie ganz kräftig den Wind aus den Segeln nehmen und dann gibt es eigentlich keinen Grund mehr, warum ich bei einem deutschen Händler ein Produkt kaufen soll, das so oder so aus China kommt. Dann kann ich es auch gleich direkt dort kaufen. Also ich glaube, die werden heftige Probleme kriegen. Ich sage jetzt mal, die Versandkosten hin oder her, ich bin mir sicher, dass die da auch einen Weg finden, selbst wenn sie, wenn die Gebühren irgendwann angehoben werden, glaube ich darauf arbeiten – das ist ja absehbar für die und da werden die auch einen Plan in der Schublade haben. Aber bis dahin wird einfach die Kundenbasis so groß sein, dass sie dann sehr wahrscheinlich auch über Volumen sprechen, wo sie dann eigene Flugzeuge fliegen lassen oder so und das kostenmäßig irgendwie abgedeckt kriegen. Ich glaube, das ist jetzt gerade der Ansatz, das Volumen so schnell so groß zu kriegen, dass dann, selbst wenn sich diese Verträge da mal ändern sollten, da ein Modell draus wird.
[00:33:57.340] – Lars
Damit wären wir auch am Ende unseres Podcasts angekommen. Ich finde, wir haben ganz schön viel besprochen, ganz schön viel mitgenommen. Vielen Dank an Stephan für die ganzen Einblicke und Gedanken und die Analyse auch zu dem, was da gerade passiert. Ein Thema, das wir noch gar nicht so richtig beleuchtet haben, ist Nachhaltigkeit. Also für mich klingt das jetzt nicht besonders nachhaltig, was da passiert und deshalb finde ich super, wenn wir uns vielleicht in einem Jahr oder so noch mal zusammensetzen und dann das Ganze betrachten. Zum einen war die Entwicklung von Temu nachhaltig? Und zum anderen vielleicht auch da noch mal ein Augenmerk drauf legen. Für den Moment, vielen Dank an Stephan. Vielen Dank an Sarah fürs Produzieren. Vielen Dank an euch fürs Zuhören und wir hören uns in einer weiteren Folge. Von The Digital Impact, dem netzstrategen Podcast. Bis dann.
Hör gerne in unsere anderen Episoden mit Digital Impact rein. Diese hier passen gut zum Thema der vorherigen Folge: