Staffel 3
Episode 9
Host dieser Episode:
Picture of Andre Hellmann
Andre Hellmann
Gäste in dieser Episode:

Geschichte des Cyberforums mit Matthias Hornberger

In dieser Folge geht es um die Entstehung des Cyberforums. Der CyberForum e.V. in Karlsruhe ist mit über 1.200 Mitglieder:innen das größte regional aktive Hightech Unternehmer Netzwerk in Europa. Host André Hellmann spricht mit Matthias Hornberger über seinen Weg zum Cyberforum und die Herausforderungen, während es entstanden ist.

💡 Links zu allen Themen, die in der Folge erwähnt werden:

Transkript

🚀 Das Wichtigste im Überblick:

Gründung und Entwicklung des CyberForums: Das CyberForum, gegründet 1997 in Karlsruhe, entwickelte sich zum größten regionalen Hightech-Unternehmernetzwerk Europas. Die Initiative wurde von lokalen IT-Unternehmern und der Stadtregierung ins Leben gerufen, um einen modernen digitalen Treffpunkt zu schaffen.

Matthias Hornbergers Rolle und Erfahrungen: Matthias Hornberger beschreibt seinen Wechsel vom Bankensektor zu web.de und seinen Einfluss auf den Börsengang des Unternehmens. Seine Erfahrungen spiegeln die Herausforderungen und Dynamiken des IT-Sektors während und nach der Dotcom-Blase wider.

Strategische Neuausrichtung und Akzeleratorprogramme: Seit 2006 erfuhr das CyberForum eine strategische Neuausrichtung, die das Unternehmernetzwerk über den gesamten Lebenszyklus von Hightech-Unternehmen unterstützt. Mit Programmen wie dem CyberLab fördert es zudem aktiv Start-ups und trägt zur weiteren Vernetzung und Professionalisierung der regionalen Hightech-Szene bei.

[00:00:00.000] – André
Hallo und herzlich willkommen zur neuen Folge des Digital Impact Podcasts der netzstrategen. Ich bin André Hellmann, Gründer und Geschäftsführer der netzstrategen und bei uns im Digital Business Team tätig. In der heutigen Episode spreche ich mit Matthias Hornberger, dem Vorstandsvorsitzenden des CyberForums aus Karlsruhe. Es ist mit 1200 Mitgliedern das größte regionale Unternehmernetzwerk der Digitalbranche in Europa. Disclaimer, auch ich bin Teil des geschäftsführenden Vorstands. Wir besprechen heute, wie Matthias zum CyberForum kam, was er davor gemacht hat und wie es überhaupt entstanden ist. Wer mehr über das erfahren möchte, was das CyberForum heute macht, der kann sich die Episode mit dem Geschäftsführer David Hermanns anhören. Wir verlinken sie in den Show Notes. Jetzt aber rein in das Gespräch mit Matthias Hornberger, das wir am 7. Juli 2023 aufgezeichnet haben. Und los geht es mit Matthias Weg zum CyberForum.

[00:00:56.090] – Matthias
Ja, also ich bin ja auch schon Ü60. Insofern muss da ja auch ein bisschen was schon drin sein im Lebenslauf. Ich bin in der Wolle gefärbter Banker, habe eigentlich eine klassische Bankenkarriere gemacht, so mit Kaufmannsgehilfenprüfung, Studium in Mannheim und dann insgesamt zehn Jahre im Investment Banking, dort sehr stark im Beteiligungsbereich. Und dann kam, wenn man so will, der Moment der Wahrheit. Ich habe damals noch für eine Kölner Bank die Pre-IPO-Beteiligung von web.de betreut oder an web.de betreut, 1999. Und die haben ’99 einen kaufmännischen Vorstand gesucht für den anstehenden IPO. Und das war dann der Moment, wo ich zugegriffen habe und gesagt habe, ich muss mal was Neues machen und habe, wenn man so will…

[00:01:51.010] – André
Fronten gewechselt.

[00:01:52.790] – Matthias
…auf die gute Seite der Macht gewechselt und bin zum 01.01.2000, also eine Millenniumsentscheidung, sozusagen, zu web.de hier nach Karlsruhe gekommen.

[00:02:03.140] – André
Okay, und hast dann den IPO dann auch begleitet und die Zeit danach wahrscheinlich.

[00:02:06.930] – Matthias
Ja, der IPO war ja ein sehr wilder Ritt. In der zweiten Hälfte 99 sind die Werte am neuen Markt explodiert. Und tatsächlich saßen wir hier noch Weihnachten 99, wo ich schon dabei war, und haben diskutiert: Gehen wir jetzt schnell an die Börse, um den Trend mitzunehmen? Oder warten wir noch, bis die Online-und Likos auch an der Börse sind und dann sind wir noch X Fantastilliaden Mehrwert und hatten dann aber doch das richtige Gefühl, haben gesagt, so schnell wie möglich raus und haben dann zusammen mit Eventim, die man heute als großen Ticketverkäufer, vermarkter kennt, am 17. Februar 2000 an die Börse gegangen, als die ersten beiden Unternehmen, die das 2000 geschafft haben. Und vier Wochen später, da ist der Markt zusammengebrochen.

[00:03:01.370] – André
Okay, also das Timing gut erwischst.

[00:03:03.220] – Matthias
Timing ist alles. Das ist sozusagen, was man mitnehmen kann fürs Leben.

[00:03:07.030] – André
Okay. Und dann saßt ihr hier in Karlsruhe und ihr hattet ja erst mal kein operatives Geschäft mehr, oder?

[00:03:13.010] – Matthias
web.de ist an die Börse gegangen mit drei Millionen Umsatz, 10 Millionen Verlust, 30 Mitarbeitern, ein paar hunderttausend Free-E-Mail-Kunden, also Free-Mail, wie wir das ja genannt haben. Und dann haben wir versucht, das Geschäft erst mal sehr, sehr stark auf Onlinewerbung basiert zu entwickeln. Das ist uns bei einem Marktvolumen von unter 200 Millionen Onlinewerbung ganz Deutschland, alles zusammen, sozusagen dann so leidlich gelungen. Allerdings nur bis zum 11. September 2001, wo dann alle Lichter ausgegangen sind und auch wir dann unser Geschäftsmodell komplett überdenken mussten.

[00:04:02.990] – André
Dann bist du irgendwo hier irgendwann Richtung CyberForum gekommen. Das ist ja so ein Teil der großen Geschichten, die wir erzählen wollen, wie wir hier in Karlsruhe dieses riesige Unternehmernetzwerk aus der Taufe, aus der Wiege gehoben und jetzt eben weiterentwickelt haben. Wie ist die Kurve verlaufen? Wie bist du da…

[00:04:17.960] – Matthias
Also das CyberForum selbst ist ja ein bisschen älter, 1997. Die Legende sagt, da war ich nicht dabei, die Legende sagt, dass die damalige Bürgermeisterin ein Ansiedlungsprogramm für Industrieunternehmen und IT-Unternehmen hier starten wollte und dann der Friedrich Georg Höpfner und der Jakob Karst, ein guter Freund von ihm und IT-Unternehmer, bei der Promet AG, dann einen Vorschlag entwickelt haben, den dann der damalige OB Seiler so gut fand, dass er dann gesagt hat: Friedrich, du machst das. Und dann hat die CyberForum-Geschichte begonnen. Der Name CyberForum stammt übrigens, noch eine kleine Anekdote, von Margret Mergen, die damalige Kämmerin und spätere erste Bürgermeisterin, dann Oberbürgermeisterin in Baden-Baden, die kam mit dem Namen CyberForum.

[00:05:19.000] – André
Und was sollte das bezwecken?

[00:05:21.420] – Matthias
Zum einen natürlich, damals war das ein sehr hipper Ausdruck. Heute klingt es eher ein bisschen antiquierter beziehungsweise wird es mit Cybersicherheit und Cybercrime in Verbindung gebracht. Damals war es ein moderner Ausdruck für den digitalen Raum und Forum eben als Treffpunkt für Menschen, für Unternehmen. Und das sollte es eben damals sein, ein Treffpunkt für Start-ups, für IT-Unternehmer und war eben ein Gründernetzwerk in dem Sinne.

[00:05:53.450] – André
Da war das Gefühl, dass da nicht genug gemacht wird, nicht genug gefördert wird, nicht genug Austausch da war und dafür wollte man einfach ein Forum schaffen.

[00:06:00.030] – Matthias
Ja, also der Bedarf war eben 1997 schon sehr hoch, was man eben auch daran gesehen hat, dass es sich dann sehr, sehr schnell gut entwickelt hat, dass schon die Gründung selbst war im Juli ’97 und bei der ersten größeren Veranstaltung an einem Infomarkt, also an einem Netzwerktreffen…

[00:06:20.740] – André
Heute monatlich, oder?

[00:06:21.840] – Matthias
Heute monatlich. Ich glaube, im September oder Oktober ’97 waren schon fast 100 Teilnehmer dabei und man hat dann binnen eines Jahres 200 Mitglieder gehabt und das zeigt schon, dass man da einen gewissen Need getroffen hat für diesen Austausch. Und dann ist man natürlich mit dieser Welle der Gründungen, die natürlich dann auch mit dem neuen Markt und der Tatsache, dass das Internet dann auch wirklich in die Fläche gekommen ist und wir uns alle mit, zumindest mal mit ISDN, ins Internet eingewählt haben. Ja, genau, Boris Becker. Ich bin ja schon drin. Damals noch auf Minutenbasis abgerechnet und auf diesem Trend sind natürlich sehr, sehr viele dann geritten. Da gab es durchaus auch schon sehr interessante Start-ups hier in Karlsruhe. Ticket-S zum Beispiel, für die Älteren, die sich erinnern. Das war also ein frühes Ticketing-System. Große Systemhäuser wie Astarte, die es heute alle nicht mehr gibt. Aber da war schon eine echte Szene hier entstanden.

[00:07:36.760] – André
Und du warst über web.de als großes Start-up dann da mittendrin?

[00:07:40.150] – Matthias
Ja. Das CyberForum hatte natürlich – war am Ende des Tages eine Veranstaltung, die sehr stark auf Herrn Höpfner zugerichtet war, auch von Herrn Höpfner finanziert worden ist, auf 30 Quadratmetern in der Höpfner Burg, da in diesem schönen Türmchen, was da am Eingang ist.

[00:07:57.840] – André
Muss man vielleicht auch wissen, dass das eine Brauerei ist. Es ist gar nicht allen klar, dass Höpfner ein Brauer oder wie nennt man denn das – ein Brauer ist.

[00:08:04.040] – Matthias
Ja, das ist eine Brauereifamilie damals auch tatsächlich noch mit einer aktiven eigenen Brauerei. Die ist dann 2006 verkauft worden an einem niederländischen Konzern, zumindest der Brauereiteil, nicht dieses Gebäude. Und der Höpfner hat das, wenn man so will, auf seinen eigenen Schultern getragen, ein bisschen Förderung bekommen von der Stadt, aber eben nichts, was belastbar war, sodass man dann nachdem als der neue Markt zusammengebrochen ist und natürlich auch dann viele Mitglieder nicht mehr so zahlungskräftig waren, doch in erhebliche Finanzierungsprobleme gekommen ist und dann war web.de so ein bisschen der weiße Ritter. Wir hatten ja dann Geld aus dem Börsengang und haben damals 100.000 Euro aus dem Geld des Börsengangs eben als Cofinanzierung in ein Projekt namens Campus gegeben, was eben dann vom Land oder ich glaube, es war Land und EU, cofinanziert wurde und das war dann die Lebensversicherung für das CyberForum für die, sagen wir mal, dürren Jahre, weil klar war, dass zwischen 2001 und 2004 – das war schon so ein bisschen….

[00:09:18.340] – André
Schwierige Zeiten.

[00:09:19.400] – Matthias
Die sieben schlechten Jahre. Das waren keine sieben Jahre glücklicherweise, aber das war die schwere Zeit, wie man so schön sagt.

[00:09:24.890] – André
Und bist du da auch schon operativ in den CyberForum reingerutscht zu der Zeit? Hast du da schon Aufgaben übernommen?

[00:09:29.480] – Matthias
Ich habe beim CyberForum, wenn man das jetzt in der – Rückwirkend betrachtet, ich habe sozusagen eine Benjamin Button-Karriere gemacht. Ich habe angefangen im Kuratorium, was also eigentlich heute die politische Ebene ist, wo eher so die seniorigen KIT-Präsident, Bürgermeister, Ehrenmitglieder vertreten sind und bin dann Mitte der Nuller Jahre in den erweiterten Vorstand gekommen und dann in den Geschäftsführenden und dann 2010 zum Vorstandsvorsitz. Also unser Geschäftsführer muss sich in Acht nehmen, wenn ich so weitermache, werde ich dann irgendwann mal noch richtig operativ und werde dann als Werkstudent meine Karriere beim CyberForum beenden.

[00:10:22.480] – André
Ich sehe schon. Du – dich als Assistent vom David Hermanns. Das kann ich mir gut vorstellen. Vorstandsassistent. Sehr schön. Dann bist du schon ein langer Wegbegleiter auf dem CyberForum.

[00:10:33.290] – Matthias
Ja, absolut. Jetzt bin ich im 14. Jahr Vorstandsvorsitzender und wie gesagt im Geschäftsführenden seit dann 2008. Also das ist schon ein nachhaltiges Hobby.

[00:10:50.400] – André
Ja, auf jeden Fall. Was für Meilensteine siehst du denn so, wenn man jetzt mal so ein bisschen zurückblickt? Wir haben die Gründung, wir haben eben diesen Start mit den vielen Gründern, die wir hier in Karlsruhe zusammengebracht haben, eben auch quasi – Also als es nur Gründer gab, im Internet wahrscheinlich. Da gab es noch noch keine Etablierten. Dann haben wir den Crash. Wie ist es danach weitergelaufen am CyberForum?

[00:11:09.750] – Matthias
Also ich glaube, der ganz große Meilenstein kam dann im Jahr 2006, als FGH, wie er ja im Jagon heißt, entschieden hat, die Brauerei zu verkaufen und er selbst dann Vorstand der konsolidierten Inbev-Gruppe in München geworden ist, mit diversen Braureien, Fürstenbach unter anderem, und dann eben sein Amt als Vorstandsvorsitzender niedergelegt hat oder sich hat nicht wieder wählen lassen und dann eben ein Triumvirat an den Start gegangen ist mit Elma Buschlinger, Dirk Schwarz und dem Martin Hubschneider, die das dann auch wirklich strategisch auf neue Beine gestellt haben. Während das CyberForum ja als Gründernetzwerk entstanden ist, ist eben dann in 2006 dieser Claim entstanden, High-Tech-Unternehmer-Netzwerk, mit dem Antritt wirklich Tech-Unternehmen nicht nur in der frühen Phase, ich sage mal so, bis zur Schulphase, bis zum ersten Abschluss, bis zur ersten Finanzierung zu begleiten, sondern wirklich über den gesamten Lebenszyklus zur Not auch Restrukturierung und Insolvenzberatung, also von der Liege bis zur Bahre, wie man so schön sagt. Und damit natürlich die Basis deutlich verbreitert hat, auch für die Mitglieder oder potenzielle Mitglieder und natürlich auch sehr viel stärker auf den Nutzen für alle Mitglieder, nicht nur auf fördernde Mitglieder. Wir alle sind ja irgendwie bei Vereinen fördernde Mitglieder, ohne dass wir jetzt so einen direkten Nutzen daraus ziehen, außer dass wir es moralisch unterstützen. Aber da war eben die Intention, wirklich den Mitgliedern auch zu beweisen, dass was für sie drinsteckt mit Weiterbildungsangeboten, mit Ausbildungsunterstützungen Fachkräftesuche, Fachkräftefindung, Weiterbildung, aber auch sehr viel Netzwerkaktivität auch auf der politischen Ebene zu wirken, dass eben die richtigen Projekte hier nach Karlsruhe kommen.

[00:13:27.730] – André
Und dann wurde im CyberLab irgendwann mal auch das Gründerthema noch mal deutlich professionalisiert, oder? Das war ja noch mal so ein Schnellboot, quasi.

[00:13:33.720] – Matthias
Also wir haben dann Anfang des letzten Jahrzehnts, 2012 war es, glaube ich, hatten wir den ersten Piloten für das CyberLab. Das war, wenn man so will, der erste strukturierte Akzelerator, vom Land geforderte Akzelerator, den wir innerhalb des CyberForums installiert haben und die ersten Start-ups dort als Output hatten. Tatsächlich gibt es aus der Zeit auch noch Start-ups, die sehr erfolgreich waren und das heute noch gibt. Die Campus Jäger, heute Workwise, war eins der ersten Start-ups aus dieser Zeit, inzwischen auch schon zehn Jahre alt. Oder ArtyMinds-Robotik oder eine Software für leichtbare Roboterarme hier im Technologiepark. Das war der erste Pilot und der war dann eben so überzeugend, dass wir dann die Anschlussfinanzierung vom Land bekommen haben für den IT-Akzelerator des Landes Baden-Württemberg. Das ist der offizielle Titel, den wir tragen dürfen seitdem. Inzwischen sogar noch etwas erweitert Cybersicherheit und künstliche Intelligenz. Und das war der erste vom Land geförderte Akzelerator. Und inzwischen sind wir, glaube ich, gerade letzte Woche sind die neuen Förderbescheide herausgegangen, bei knapp 20 Akzeleratoren für fast jedes Thema, für Stoff, für Food, für natürlich Impact, für viele, viele Themen. Und das Land hat eben für sich entschieden, das möglichst breit zu streuen, eben auch diesen Start-up-Gedanken im ganzen Land zu verankern, von Biberach an der Ritz bis Konstanz bis eben die Rheinschiene hoch. Und wir sind da so ein bisschen, ich der Leuchtturm oder der Dinosaurier, wie man es ausdrücken will. Auf jeden Fall sind wir die, die das schon am längsten betreiben und dann natürlich auch ein sehr gutes Standing haben.

[00:15:41.210] – André
Hast du da ein Gefühl, wie viel sind da durchgelaufen? Wie viele Start-ups haben wir da beschleunigt?

[00:15:46.220] – Matthias
Die Zahl der Start-ups habe ich nicht greifbar. Seit Gründung des CyberForums haben wir so um die 5.000 Gründerinnen und Gründer betreut. Aber ich würde mal sagen, dass die Zahl der Start-ups, vielleicht die durchs CyberLab gelaufen sind, in der Größenordnung zwischen 200 und 250 sind. Aktuell haben wir pro Jahr 60. Wir haben das deutlich nach oben gefahren, wobei auch da man auch nicht das mit den früheren Jahren vergleichen kann, weil heute eine Teilnahme auch sehr oft rein virtuell stattfindet. Früher hatten wir die Situation eigentlich immer, dass die Start-ups dann auch ein Büro hatten und wollten.

[00:16:34.060] – André
Platz einen Tisch.

[00:16:35.080] – Matthias
Genau. Und heute ist das eben nicht mehr der Fall. Und das führt auch dazu, dass viele Start-up sich entscheiden, nicht nur in einem Akzelerator zu sein, sondern iterativ hintereinander.

[00:16:50.830] – André
Hintereinander, sequenziell.

[00:16:52.200] – Matthias
Was absolut nachvollziehbar ist. Wie bei einer Ausbildung sucht man sich eben quasi ein, wenn man so will, einen Praktikumsplatz nach dem anderen, um dazuzulernen. Das heißt, das ganze Bild wird ein bisschen unscharfer und man kann es auch nicht mehr so ganz klar miteinander vergleichen, wenn man jetzt hier früher Jahre anguckt und heute.

[00:17:15.480] – André
Und dann erinnere ich mich, da war ich dann schon mit im Vorstand aktiv an den Smart Production Park, der auch noch mal ein riesiges Projekt war, der in den letzten Jahren im Hinterhof der Höpfner Burg entstanden ist. Das war dann noch mal ein weiterer Baustein des Baukastens.

[00:17:30.160] – Matthias
Also das ist tatsächlich so ein bisschen der nächste Stein oder vielleicht auch der Schlussstein, je nachdem, wie man das sehen will. Der CyberLab ist ja, wenn man so will, reine digitalen Produkte, wirklich Software Start-ups, die wir unterstützen, da eben mit einem sehr starken Fokus auf B2B. Es gibt ja auch diesen Spruch: Baden-Württemberg is the place to B2B. Es gibt schon ein starkes Gewicht auf das Thema B2B. Wir haben aber dann eben mit der technischen Entwicklung gesehen, dass IT immer mehr eine Wertschöpfung innerhalb von Hardware Produkten wird, embedded, wie man das so schön neudeutsch sagt, dass man Hardware und Software teilweise auch gar nicht mehr sinnvoll voneinander trennt und dass eben damit auch eine neue Kategorie von Produktionsunternehmen entsteht, die eben sehr softwarelastig sind, wo die Wertschöpfung eben sehr stark auf der Software basiert. Und während wir beim CyberLab ja selbst der, wenn man so will, der Träger des CyberLabs sind, finanziert vom Land, aber ansonsten sind das von uns selbst gestaltete Räumlichkeiten, sind wir dann bei dem Smart Production Park mit der Stadt zusammengekommen. Das ist also ein Projekt der Stadt, ein Gründungs-und Festigungszentrum der Stadt. Und wir treten dort als Betreiber auf mit letztlich den gleichen Leistungen, mit der gleichen Wertschöpfung, eben die Start-ups in dieser frühen Phase bei der Ideation, Team Building, das Testen des Geschäftsmodells, Prototyping, Beschaffung von Mentoren unterstützen. Wir haben rund 200 Mentoren, die in der Regel kostenlos uns zur Verfügung stehen, diese Start-ups zu coachen, zu beraten, den Input zu geben. All diese Komponenten, die bieten wir im Smart Production Park eben als Dienstleistung an, aber in, wenn man so will, fremden Räumlichkeiten. Also der Hausherr in dem Sinne ist die Stadt. Warum macht die Stadt das? Es ist ganz einfach. Das ist Wertschöpfung für eine Stadt. Wenn man sich anschaut, gab es mal eine Berechnung, dass ein Arbeitsplatz für die Stadt pro Jahr etwa dreieinhalbtausend Euro generiert an direkten und indirekten Steuereinnahmen. Und wenn man eben sieht, dass hier bei uns dann eben hunderte von Arbeitsplätzen entsteht, dann ist das eigentlich eine relativ einfache Investitionsrechnung, die hier gilt. Und insofern halten wir das natürlich auch für eine kluge Maßnahme der Stadt.

[00:20:38.210] – André
Aber ist ja schon ein bisschen eine Zwickmühle. Also wir haben jetzt diese quasi brick and mortar. Wir haben hier Gebäude gebaut, wir stellen eben das CyberLab auch physisch zur Verfügung. Wir haben einen Smart Production Park, ist ein riesiges Gebäude. Lohnt sich mal anzuschauen. Aber du hast ja auch selber gesagt, die Start-ups werden immer virtueller, die Unternehmen werden virtueller. Es passiert immer mehr remote. Wie geht man jetzt damit um? Und wie bringt man die zwei Sachen zueinander?

[00:21:02.720] – Matthias
Ist natürlich eine Herausforderung. Wir haben natürlich auch eine Vielzahl von Veranstaltungen inzwischen, sagen wir mal virtuell, Workshops et cetera. Aber wie wir ja auch alle gemerkt haben, nachdem wir zwei Jahre im Homeoffice verbracht haben, das Treffen von Menschen, das Sehen von Menschen, das Zusammenkommen hat durchaus einen Mehrwert. Und gerade du hast mir ja kürzlich auch gesagt, dass man auch gerne ins Büro kommt, weil man dann die viel bessere Klimaanlage hat, seitens Klimawandels. Ja, und wir haben auch eine Klimaanlage im Smart Production Park. Nein, Spaß beiseite. Wir glauben sehr stark an den Wert von echtem Austausch. Wenn man sieht, wir hatten gerade das Gründergrillen, was eine wirklich traditionelle Veranstaltung hier in Karlsruhe ist, an unterschiedlichen Standorten stattfindet und zum 10-Jahre-CyberLab hatten wir dann das Gründergrillen bei uns im Hof und da waren weit über 200 Gründerinnen und Gründer da. Und da sieht man, dass der Bedarf für persönlichen Austausch unbedingt gegeben ist vor allen Dingen auch für das Team Building. Man wacht ja nicht morgens auf und hat also die drei richtigen Mitgründer, Mitgründerinnen, sondern die muss man ja suchen und testen und das macht man halt…

[00:22:29.710] – André
Beim Grill und beim Bier.

[00:22:30.200] – Matthias
Genau, absolut. Wie man im Leben auch Menschen kennenlernt und lieben lernt, findet das eben auch bei solchen – Wir machen das ja auch strukturiert als Matching Events und das ist eben direkte Kommunikation, direkt ins Auge schauen. Da ist so ein 2D-Bildschirm einfach nicht gut geeignet.

[00:22:51.470] – André
Und schaffen wir es auch, die Firmen dann hier in Karlsruhe zu halten? Weil wenn es Steuergelder geht, geht es ja auch einen Firmensitz, dass wir die dann die irgendwie hier klammern können, auch wenn vielleicht die Mitarbeitenden auf der ganzen Welt sitzen?

[00:23:04.220] – Matthias
Ist natürlich das Interesse. Unser Interesse und auch der Stadt, weil ich hatte eben schon von der Steuerkomponente gesprochen. In den letzten sieben, acht Jahren hat die Stadt permanent mehr als 40% ihres Gewerbesteueraufkommens von IT-Unternehmen bekommen. Das sind eben tatsächlich Arbeitsplätze vor Ort. Das wird ja nach Köpfen gerechnet. Insofern ist das ganz klar die Währung, in der die Stadt rechnet und in der wir uns in gewisser Weise auch messen müssen. Aber wir können Start-ups natürlich nicht verpflichten, nicht anbinden. Es gibt auch keinen Malus oder so was oder eine Rückzahlverpflichtung. Es ist am Ende des Tages eine souveräne Entscheidung und wir haben es natürlich auch schon mehrfach gesehen, dass Start-ups sich entschieden haben, dann wegzugehen, wie zum Beispiel Colibri Games, die nach Berlin gegangen sind, die dieses Tycoon Game hatten, einen sehr erfolgreichen Exit dann gemacht haben, andere, die weggegangen sind. Das gehört aber dazu und wir müssen aber auch umgekehrt gucken, dass wir attraktiv sind als Standort mit aktuell so um die 10.000 Menschen in Ausbildung in der verschiedensten Formen für IT-Berufe oder MINT-Berufe, wo wir eben versuchen, die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass die Menschen hier bleiben oder hierher kommen. Und das hat durchaus gut funktioniert. Und große Unternehmen, zumindest mit ihren Entwicklungsunternehmen, wie eine Kränke, wie eine Trumpf, wie eine Intel im Technologiepark, dass die zumindest IT-Dependanzen hier in Karlsruhe schaffen. Also so gesehen kommen wir so ein bisschen an unsere Wurzeln zurück, was wir in 97 mal wollten, dass wir das heute natürlich immer noch indirekt mitspielen. Aber es ist am Ende des Tages ein Wettbewerb und man muss auch sagen, der Wettbewerb wird deutlich härter der Standorte, weil natürlich jeder weiß, dass das die Berufe und die Arbeitsplätze der Zukunft sind. Und da müssen wir uns strecken.

[00:25:28.520] – André
Genau, das sind ja auch nicht nur die Unternehmen, die ihren Sitz brauchen, sind auch, wie du sagst, die Fachkräfte. Wenn wir jetzt in Personen in der Branche sprechen, sprechen wir auch von Menschen, die da eben entsprechend arbeiten, die auch einfach Dauerthema sind.

[00:25:41.290] – Matthias
Und da ist unser Netzwerk eine Komponente. Da gibt es aber andere, natürlich andere Komponenten, die viel mit Lebensqualität zu tun haben, mit Bildungsqualität, wo wir eben auch so ein bisschen über Bande spielen mit unserem technika Projekt, wo wir versuchen, da erstens Nachwuchs zu ziehen, aber auch für die Eltern eine positive Entscheidungssituation herzustellen, warum sie eben hier nach Karlsruhe kommen wollen. Es sind viele, viele Dinge, die da eine Rolle spielen.

[00:26:16.530] – André
Haben wir auch mit Dirk eine eigene Episode gemacht zu seiner technika, der ja schon ganz früh versucht eben Schülerinnen und Schüler in diese Berufe zu bringen, beim KIT, mit der FH natürlich auch Hochschulen hier am Standort, die das fördern, die dann natürlich auch die Rohstoffe liefern für diese Unternehmen, die dann einfach diese schlauen Leute brauchen aus diesen MINT-Fächern heraus.

[00:26:36.770] – Matthias
Und so ein Netzwerk wie das CyberForum ist hier eine wichtige Komponente. Wir sehen uns ja so ein bisschen, oder nicht wir sehen uns, aber wir sind so ein bisschen auch eine Spezialvertretung für IT-Unternehmen mit einer viel tieferen Dienstleistung Leistung, als dass eine IHK, die uns von Anfang an unterstützt hat und mit der wir heute noch eng kooperieren, wo wir einfach versuchen, eine größere Tiefe herzustellen für die Bedürfnisse, die eben IT-Unternehmen haben, gerade bei der Fachkräfteausbildung oder auch beim Fachkräfterecruting. Oder ein Projekt, was wir ganz, ganz früh angegangen sind, ist das Thema outsourced HR. Also wir sind für eine Vielzahl unserer Mitglieder die outgesourcte Personalabteilung in der Form, dass wir pro Jahr um die 60 Auszubildende auswählen, die dann bei unseren Mitgliedsunternehmen ihre Ausbildung durchlaufen, duale Ausbildung, aber eigentlich einem Zielunternehmen zugeordnet ist, die auch die Ausbildungsvergütung zahlen und wo der Auszubildende Fachinformatiker oder was auch immer dann auch am Ende hingeht. Warum? Weil der Großteil unserer Mitglieder, wir haben ja rund 1200 Mitglieder, der Großteil unserer Mitglieder hat kleiner als zehn Mitarbeiter. Und da hat man natürlich das strukturelle Problem, dass man jemand hat mit einer Ausbildereignungsprüfung und dann ist man darauf angewiesen, nicht nur wenn man Projekte akquirieren will, sondern auch ganz faktisch, wenn ich jemanden ausbilden will, dass ich dann eben auch externe Hilfe brauche und die bieten wir eigentlich.

[00:28:38.670] – Matthias
Und wir sind da, glaube ich, auch schon im vierstelligen Bereich an Auszubildenden, die wir da wo wir die Jahre unterstützt haben.

[00:28:46.540] – André
Auch der Fachkräftepool ist ja so ein Netzwerkthema, wo die Unternehmen eben potenzielle Mitarbeitende da eben hinschicken, die vielleicht bei denen, wie es wir bei uns zum Beispiel keinen Job gerade haben, keine offene Stelle, aber die wir trotzdem gut finden, die wir dahin vermitteln und davon da weitervermittelt werden. Andersherum beziehen wir welche davon. Das sind auch solche Netzwerkeigenschaften, die wir hier in die Hand nehmen können.

[00:29:06.210] – Matthias
Tatsächlich muss man ja davon ausgehen, dass eine Entscheidung nach Karlsruhe zu ziehen, nicht nur eine Einzelentscheidung ist, sondern zumindest mal eine doppelte Entscheidung. Es müssen in der Regel zwei Menschen eine Entscheidung treffen und eine Option haben, dort zu arbeiten. Und dann hilft es natürlich, ein breites Angebot zu haben. Und wenn sich jemand ja schon mental dafür entschieden hat, nach Karlsruhe zu kommen, dann sollte man ihm natürlich alles anbieten, was es hier in Karlsruhe gibt und nicht nur den einen Arbeitgeber, der vielleicht gerade nicht den richtigen Job für den jenigen hat.

[00:29:47.470] – André
So ein weiteres großes Thema, das uns umtreibt, ist die ganze künstliche Intelligenz. Das ist ja so ein ganz großes Themenfeld, das einfach überall hinschwappt, das ja auch den Fachkräftethema berührt, weil man hofft, mehr Produktivität aus den Bestandsmenschen in der Unternehmung rauszubekommen. Auch da ist ja gerade eine große Initiative im Rollen.

[00:30:04.640] – Matthias
Kleines Bonmot. Jemand hat mir mal erklärt, dass das eigentlich nicht künstliche Intelligenz, sondern künftige Informatik ist, weil einfach alle Informatik zukünftig eben auf dieser technologischen Basis sein wird. Und das fand ich auch tatsächlich nicht schlecht, weil tatsächlich mit dem Thema Intelligenz man natürlich auch so ein bisschen einen sensiblen Bereich berührt, wie man ja auch an den Diskussionen sieht, dass der Mensch sich eigentlich als allein intelligent ansieht und eine Maschine nie intelligent sein kann. Aber Spaß beiseite. Wir haben hier eine Vielzahl von Aktivitäten. In der Vergangenheit schon sind wir mal ausgewählt worden vom Bundeswirtschaft Wirtschaftsministerium als DE-Hub, speziell für das Thema künstliche Intelligenz. Angewandte künstliche Intelligenz, muss man genauer sagen. Ein Projekt, was schon länger läuft. Und nun haben wir uns in in den letzten Jahren sehr intensiv damit beschäftigt, was man denn tun kann, tun soll in dem Bereich und haben uns in eine Allianz begeben. Heißt entsprechend natürlich auch KI-Allianz, mit anderen Regionen hier in Baden-Württemberg, insbesondere Stuttgart, Pforzheim, aber auch Freiburg, um eben hier auf breiter Front ein Angebot zu schaffen, was die Entwicklung und vor allem Dingen die Anwendung von künstlicher Intelligenz unterstützt. Und erstes großes Projekt wird eine Datengenossenschaft sein. Zentrale Herausforderung bei künstlicher Intelligenz ist ja, dass man nicht nur einen schlauen Algorithmus braucht, sondern man braucht vor allen Dingen die Daten, an denen ein solcher Algorithmus trainiert werden kann.

[00:31:58.930] – Matthias
Erstmal ist der total blöd, wie ein neugeborenes Baby und erst mit dem, was das Baby aufnimmt und lernt, und das sind eben die Daten, wird es dann überhaupt verwendbar. Und wir wollen hier auf breiter Basis so eine Datengenossenschaft bilden auf Basis eines Projektes, was das Forschungszentrum Informatik vorantreiben wird und haben da jetzt gerade einen Förderbescheid bekommen über 5,1 Millionen, dass das noch sozusagen nach vorne bringen soll.

[00:32:38.570] – André
Aber man merkt schon, Netzwerk wird großgeschrieben. Das passiert ja wenig ganz alleine. Das meiste schon irgendwie mit Partnern irgendwo. Also ihr vernetzt schon wahnsinnig viel hier in der Region.

[00:32:46.990] – Matthias
Wir sind ja 97 und das war tatsächlich schon auch, wenn man so will, die DNA, war ja nicht Karlsruhe, sondern Technologieregion Karlsruhe. Also immer, wenn man so will, oder auch der IHK-Bezirk. Also bis runter Baden-Baden und hoch bis Bruchsal. Das war immer unser Geschäftsgebiet, wenn man so will, unser regionaler Fokus. Heute muss man einfach feststellen, dass man größer denken muss, dass man größer kooperieren muss, nicht nur im Bereich KI, sondern auch in anderen Bereichen, und dass man starke Allianzen bilden muss. Und das werden wir in vielen Bereichen auch bei den Female Founders, bei Impact Themen werden wir starker kooperieren, Netzwerk bilden, weil es einfach, vor allen Dingen von außen betrachtet, ist Karlsruhe einfach nur ein Punkt und eben kein Silicon Valley, sondern vielleicht ein Silicon Dot. Und da müssen wir uns einfach in größeren Verbünden zusammentun und durchaus auch verkraften, dass dann die eine oder andere Standortentscheidung zum nächstgelegenen Partner oder Wettbewerber dann, wenn es um Gewerbesteuereinnahmen geht, getroffen wird. Und das muss dann der Stadtkämmerer auch aushalten. Man könnte das natürlich lösen, indem man sagt: Okay, alles in einen Topf, aber da wird noch viel Wasser den Rhein runterfließen, bis wir die kommunalen Strukturen so weit aufgebrochen haben, dass das dann nicht dazu führt, dass der eine Kämmerer dem anderen eigentlich die Butter auf dem Brot gönnt.

[00:34:43.090] – André
Ja, auf jeden Fall. Aber ich finde, hier Kapital oder Geld ist ein gutes Thema, jetzt auch gerade für dich als Banker, quasi at heart. Wie siehst du denn gerade die Kapitalverfügbarkeit? Ich finde, da kriege ich gerade ganz verschiedene Botschaften aus dem Markt. Nach ein paar sehr fetten Jahren, trennt sich, glaube ich, die Spreu stark vom Weizen, so ein Gefühl. Wie erlebst du denn das?

[00:35:05.540] – Matthias
Ja, also ganz klar. 2021 war exzeptionell. Da sind ja sehr viele Investoren auch hier in the land herumgelaufen und haben Geld verteilt, so nach dem Grundsatz.

[00:35:23.800] – André
Der Power Points.

[00:35:24.330] – Matthias
Shut up and take my money. Die Zeiten sind jetzt vorbei. Insbesondere sind die Zeiten der ganz hohen Bewertungen vorbei. Teilweise sind ja Bewertungen von mehr als dem 20-fachen des Umsatzes bezahlt worden. Das ist einfach vorbei. Die Investoren lecken teilweise ihre Wunden und sind deutlich vorsichtiger geworden, deutlich langsamer in der Entscheidungsfindung. Das trifft insbesondere nicht die Start-ups im engeren Sinne, sondern was wir Scale-ups nennen, also die schon Umsätze haben, die schon Mitarbeiter haben, 50, 100 Mitarbeiter haben, die eben weitere Finanzierungsrunden abschließen müssen. Vielleicht ertun sich die Start-ups, die wirklich neu anfangen, die auf einem weißen Blatt Papier anfangen, die haben nicht diese Altlast einer Finanzierungsrunde, die vielleicht zu teuer bezahlt war. Die können anders planen, die stellen von vornherein nicht so viele Leute ein und treten eben nicht so aufs Gaspedal.

[00:36:35.630] – André
Mit einer Bewertung auch.

[00:36:37.020] – Matthias
Mit einer anderen Bewertung. Also hier sehen wir schon, dass da der Markt jetzt sich normalisiert hat, auch bewertungsmäßig normalisiert hat und dass hier jetzt wieder so ein Flow eintritt. Und es ist natürlich auch so, dass wenn man jetzt heute in ein Start-up investiert, sei es als Business-Angel, wir haben auch im CyberForum – sind auch die Business-Angels in Karlsruhe organisiert. Wenn man jetzt heute frühphasig investiert mit einem Betrag von 50 oder 100.000 Euro, das ist auch nicht so, dass das nächstes Jahr verkauft wird, sondern dass – Da ist man ja, wenn man so will, im nächsten Geschäftszyklus und in vier, fünf Jahren wird die Welt mit Sicherheit anders aussehen. Es gibt unverändert ganz interessante Technologien und Teams sowieso und insofern normalisiert sich hier was, was einfach deutlich übertrieben war im Jahre ’21.

[00:37:42.700] – André
Das ist so eine Art Bereinigung, die gerade stattfindet und dann eben auch ein paar von den schnell gewachsenen Start-ups, die jetzt gerade mal wieder vielleicht zurück auf den Boden kommen müssen.

[00:37:51.960] – Matthias
Die haben natürlich ein Problem, weil sie eben die nächste Finanzierungsrunde herstellen müssen und sie müssen jemand finden, der quasi auf dieses Geschäftsmodell einzahlt und vor allen Dingen, wenn man eben einen zu großen Kostenblock aufgebaut hat, und zwar natürlich auf Wunsch des Investors, weil der hat einem ja das Geld gegeben, damit man jetzt Gas gibt. Und heute heißt es eben, jetzt geht es nicht mehr reines Wachstum. Heute geht es Effizienz und Gewinn.

[00:38:25.090] – André
Unterm Strich.

[00:38:25.740] – Matthias
Was unterm Strich übrig bleibt, ist ein ganz anderer Geschäftsansatz. Da Das heißt, man wächst nicht mehr mit 100%, sondern vielleicht nur noch mit 30%, aber eben dann mit einer gesunden Marge und idealerweise natürlich mit einer Profitabilität. Am besten fährt man natürlich, wenn man gar kein Geld braucht vom Markt, aber das ist bei schnell wachsenden Unternehmen sehr schwierig zu bewirken. Ist bei B2B-Unternehmen, also bei Start-ups, die Geschäftskunden haben, ist es leichter als bei Endkunden, weil B2C muss man ja in der Regel erst mal eine Kundenbasis aufbauen, Marketing machen, die Marke bekannt machen. Da ist der Vorlauf meistens deutlich größer Wenn ich mit einem oder einem Trumpf ins Geschäft komme und der bezahlt mir schon mal mein erstes Projekt, dann bin ich natürlich viel näher am Geld.

[00:39:26.280] – André
Ja, logisch. Hast du ein Gefühl, wie sich das jetzt in Deutschland von Amerika unterscheidet? Also agieren die amerikanischen VCs, Investoren da anders? Sind die da entspannter oder geben die weiter Gas oder ist da das gleiche Bild?

[00:39:39.880] – Matthias
Ich glaube, da ist das gleiche Bild. Konjunkturell sehen die natürlich ein bisschen besser aus als Deutschland im Moment. Auch die Aussicht auf fallende Zinsen ist in USA höher, als das hier ist. Da sieht man ja schon, dass die Inflation deutlich am Kippen ist. Das ist ja sozusagen ein Datenpunkt, der hier noch fehlt. Gerade heute hat ja auch die EZB wieder die Zinsen erhöht. Grundsätzlich eine gleiche Sicht auf den Markt, aber der Vorteil des deutschen Markts ist, dass wir nie auf dem absurden Niveau bewertungstechnisch, aber auch vom Cash Burn waren, wie das teilweise in den USA war. Es gibt zwar auch in Deutschland Ausreißer, zum Beispiel bei den Lieferdiensten oder bei den E-Scootern, die Geld ausgegeben haben, als gäbe es kein Morgen, die teilweise zweistellige Millionenbeträge pro Monat durch die Tür geschoben haben. Diese Exzesse sind aber in Deutschland eher sehr selten gewesen.

[00:40:51.870] – André
Und waren jetzt aber schnell vorbei gefühlt. Mit Corona hat das ja auch sofort geendet. Ja, sehr interessant, da passiert viel. Wenn du jetzt in die Zukunft schaust, Was denkst du denn, was macht CyberForum in den nächsten fünf Jahren oder vielleicht noch länger?

[00:41:04.440] – Matthias
Ich habe es ja vorhin schon angedeutet, wir werden deutlich starker inkooperativ, sind wir sowieso immer.

[00:41:12.800] – André
Jetzt sogar mit Stuttgart.

[00:41:13.720] – Matthias
Jetzt sogar, aber jetzt mit Stuttgart, das ist wirklich ein Meilenstein. Jetzt fehlt nur noch, dass der KSC noch mit dem VfB fusioniert.

[00:41:22.500] – André
Das erleben wir, glaube ich nicht mehr.

[00:41:24.770] – Matthias
Das erleben wir zwei nicht mehr, genau. Nein, also Kooperation ist, glaube ich, das ist für mich definitiv ein Thema. Wir werden stärker, was die Finanzierung angeht, stärker outbound werden müssen als inbound. Das heißt, wir können hier nicht warten, dass die Investoren kommen und sagen: Kann ich investieren? Sondern wir werden vielleicht auch mithelfen von AI starker identifizieren müssen, wer investiert in was und was braucht der? Also werden stärker in die Direktvermarktung, wenn man so nennen will, von Finanzierungspartner geben müssen. Das ist eine Wertschöpfung, die wir unbedingt brauchen, wollen und brauchen für unsere Start-ups. Fachkräfte wird weiterhin ganz oben stehen, wird nicht weggehen und da eben nicht nur, dass wir die, die hier sind, halten. Das ist eigentlich immer schon einfacher, als jemand, hierher zu holen, sondern dass wir auch eine stärkere Außenwirkung entwickeln müssen, um die Leute nach Karlsruhe zu holen. Da ist einfach die Außenwirkung der Technologieregion jetzt speziell auf Fachkräfte, Gründer, aber auch Start-ups zu gering, aber da gibt es durchaus Chancen, wenn man sich also anschaut, dass zum Beispiel im Moment sehr viele israelische Start-ups sich umschauen, ob sie aufgrund der politischen Situation sich vielleicht eine weitere Dépendance zumindest mal im ersten Schritt holen. Also da gibt es viel Potenzial. Wir müssen einfach da ein Stück weit sozusagen aggressiver, acquisitiver werden und können uns nicht darauf verlassen, dass wir eben so viele IT-Unternehmen, wir haben ja die 4.800 IT-Unternehmen der Technologieregion mit über 30.000 Arbeitsplätzen. Auf dem Pfund können wir uns nicht ausruhen.

[00:43:36.390] – André
Und der nächste Schritt wird dann die Geschäftsführung vom CyberForum sein oder dessen Assistent quasi.

[00:43:42.250] – Matthias
Absolut. Also wie gesagt, ich mache das jetzt schon, habe ich zu meinem Erschrecken – Wir hatten ja letztes Jahr 25 Jahre CyberForum. Bei der Gelegenheit habe ich festgestellt, dass ich inzwischen schon ein halbes Jahrzehnt länger mache als der Gründervater der Friedrich Höpfner. Ja, also das 50-jährige Jubiläum werde ich mit Sicherheit nicht erleben als Vorstandsvorsitzender.

[00:44:11.010] – André
Nicht als Vorstandsvorsitzender. Gut, vielleicht da wieder im Kuratorium hoffentlich.

[00:44:15.830] – Matthias
Genau, ich komme dann wieder hinten rum. Also es macht mir Spaß. Es ist ja ein reines Ehrenamt. Das ist vielleicht auch der Grund, dass die Liste der Bewerber, Bewerberinnen nicht so wahnsinnig lang ist. Weil es einfach schlecht bezahlt ist.

[00:44:34.120] – André
Aber dafür tagesfüllend, oder?

[00:44:36.430] – Matthias
Tagesfüllend, ja. Also so Work-Life-Balance ist dann auch ein bisschen schwierig. Also mir macht es Spaß, aber natürlich ist das Bessere der Feind des Guten und auch meine Zeit wird kommen. Und dann bin ich der Erste, der dann sagt: Sehr gerne. Und tatsächlich, wenn ich also zum Gründergrillen gehe als Ü60 und die vielen energetischen jungen Menschen sehe, die zwischen Anfang 20 und Anfang 30 sind, dann komme ich mir – Auf der einen Seite ist es unfassbar energiespendend, auf der anderen Seite habe ich dann schon manchmal das Gefühl: Wow, der ist aber eine andere Generation. Und bin ich, weil wir sehr stark Gründer fokussiert sind, bin ich noch der Richtige, vorne am Steuerrad zu stehen, die eben auch motiviert zu halten und auch das CyberForum in die nächste Phase zu führen. Aber ich hoffe, es sagt mir dann jemand rechtzeitig, wenn ich zur Seite treten soll.

[00:45:53.500] – André
Auf jeden Fall. Aber wie immer sehr reflektiert und wie immer ein Riesenspaß, mit dir zu sprechen und auch im Vorstand immer Super. Danke dir ganz herzlich für das Gespräch. Hat großen Spaß gemacht und hoffentlich dann auch ein neues in ein paar Jahren vielleicht mit einem Update.

[00:46:07.100] – Matthias
Vielen Dank, André. Bewerbung kannst du jederzeit absenden und ich freue mich auf die Zusammenarbeit und bis zum nächsten Mal.

[00:46:17.070] – André
Der Digital Impact Podcast ist ein Projekt der Digitalberatung netzstrategen GmbH aus Karlsruhe. Er wird vorbereitet und produziert von Sarah Stock. Die Inhalte verantworten die jeweiligen Moderator:innen der Aufnahme. Wir hoffen, die Episode hat euch gefallen. Lasst uns gerne eure Fragen und Gedanken in den Kommentaren da und bewertet die Folge, damit wir wissen, wie wir weitermachen sollen. Abonniert auch gerne unseren Podcast, damit ihr immer mitbekommt, wenn wir neue Folgen veröffentlichen. Und wenn noch mehr von uns als netzstrategen hören mag, kann unsere Newsletter per Mail oder auf LinkedIn abonnieren. Ihr findet uns über die Links, in den Show Notes oder über Google. Wir freuen uns, von euch zu hören.

Ähnliche Folgen

Hör gerne in unsere anderen Episoden mit Digital Impact rein. Diese hier passen gut zum Thema der vorherigen Folge:

Staffel 3
Episode 9

Geschichte des Cyberforums mit Matthias Hornberger